Schwarz oder Weiß

Beim WOLFIN-Expertengespräch auf dem Petersberg ging es um über viele Jahre nachhaltig besetzte und emotional verteidigte Standpunkte. Aber auch um eine Bauweise, die noch zu jung ist, als dass alle mit ihr im Zusammenhang stehenden Fragen schon final geklärt wären. Die Rede ist von einschichtigen gedämmten Flachdächern in Holzbauweise mit Zwischensparrendämmung, bei denen es im gleichen Maße, wie die EnEV zu immer größeren Dämmstoffdicken führte, in immer mehr Einzelfällen zu Schäden kam. Nicht häufig genug, um die Bauweise selbst in Frage zu stellen. Aber doch genug, um einige Punkte kritisch zu hinterfragen und Erfahrungen auszutauschen. Das taten hochrangige Vertreter aus Wissenschaft, Handwerk und Industrie mit Blick auf die Praxis.
Die zwölf wichtigsten Erkenntnisse:
- Bauphysik als Grundlage für Produktentscheidungen
- Forschung und Industrie: klare und verständliche Ansagen für Planer, Ausführende und Bauherren
- vor der Planung Bauherrenfragebogen zu möglichen (Um)nutzungen
- Ausführung durch qualifiziertes Handwerk statt Billigbauweise
- fehlertolerantes Bauen mit Sicherheitsreserve
- Einbau getrockneten Bauholzes (< 20%) nach Norm
- Einbau von Witterungsfeuchtigkeit in der Bauphase grundsätzlich vermeiden
- Der Einbau feuchteadaptiver Dampfbremsen
- Wenn möglich Hinterlüftungsebene schaffen
- vollflächige Verklebung gegen Sekundärströme unter der Dachhaut
- Einbau von dunklen, stark diffusionsfähigen Abdichtungsbahnen
- verstärkte Kommunikation auf Profi- wie auf Bauherrenebene

Kommerzialrat Gerhard Freisinger
Dachdecker- und Spenglermeister, Allg. beeideter & gerichtlich zertifizierter Sachverständiger
„Solange die Abdichtung auf dem Kompaktdach vollflächig verklebt ist, haben wir kein Problem. Nur da, wo die obere Lage lose verlegt ist. Jedenfalls führten Sekundärströme unterhalb z.B. einer vlieskaschierten Dachhaut häufig zu Feuchtigkeit auch da, wo es unmittelbar nach dem Einbau noch völlig trocken war.“ „Die Holzkonstruktion als vollgedämmtes Sparrendach ist durchaus baubar. Die Konstruktion muss nur nach unten diffusionsdicht und nach oben diffusionsoffen sein. Außerdem darf die Dämmstoffdicke nicht mehr als 16 cm bzw. die Höhe der Sparrentragkonstruktion betragen. Entscheidend ist dabei, den Baustoff Holz trocken einzubauen – und generell in jeder Hinsicht hochwertig zu bauen. Denn anders als beim Warmdach haben wir bei dieser Konstruktion häufig keine Reserve mehr. Es gilt also, nicht an die Grenzen des noch Möglichen zu gehen.“

Dr.-Ing. Claudia Fülle
MFPA Leipzig GmbH, Geschäftsbereich iV Bauphysik, Leiterin Arbeitsgruppe 4.1 Wärme- und Feuchteschutz
„Die Hauptbeanspruchung, was Feuchtigkeit angeht, kommt vor allem im Neubau. Deshalb ist es entscheidend, bei nicht belüfteten Dächern am Anfang Feuchtigkeitseinschlüsse zu vermeiden und für die vorhandene Restfeuchte auf feuchteadaptive Dampfbremsen und diffusionsfähige Abdichtungsbahnen zu setzen.“ „Um ein nachweisfreies unbelüftetes Flachdach in Holzbauweise schadensfrei zu bauen, sind die 7 goldenen Regeln, herausgegeben von der WTA-Arbeitsgruppe Feuchtetechnische Bemessung von Holzkonstruktionen einzuhalten. Die Abdichtung muss unverschattet sein, eine dunkle Oberfläche haben und frei sein von Deckschichten, die die Aufheizung verhindern. Bevor der Aufbau geschlossen wird, ist die Holzfeuchte von Tragwerk und Schalung zu dokumentieren. Bei Abweichungen davon kann der Nachweis mit hygrothermischen Simulationen erfolgen. Ggfs., z.B. bei PV-Anlagen ist zusätzlich zu dämmen.“

Dipl.-Ing. Bernhard Gutsche
Dachdeckermeister, Geschäftsführer Gutsche GmbH Dachdeckerei, Zimmerei, Klempnerei, Fassade
„Man verlegt heute alles, was verlangt wird, und das auch noch in Einschichtbauweise. Bei dieser Konstruktion bin ich erst mit einer eigenen Abdichtungsebene mit 4 cm Luft darunter zufrieden. Und bei der Abdichtung erst mit einem Produkt, das auch die Belastung und Beschattung durch die Haustechnik auf dem Dach abkann.“ „Wer mit feuchten Baustoffen arbeitet, darf sich nicht wundern, wenn er Feuchtigkeit in der Konstruktion hat. Wenn Bauholz gem. DIN 68 800 bis auf einen Feuchtegehalt von 20 % getrocknet ist, ist der Einbau völlig unproblematisch. Aber versuchen Sie mal, im Baustoffhandel soweit vorgetrocknetes Holz zu finden! Je mehr Feuchtigkeit wir haben, desto diffusionsoffener muss die obere Abdichtungslage sein. Aber auch das reicht nur, wenn die Dachfläche weitgehend unverschattet ist.“

Gerd Hecker
Fachleiter für Dach- Wand - und Abdichtungstechnik, Dachdeckermeister, Leiter WOLFIN-Anwendungstechnik
„Frühere Holzdächer waren belüftet und haben auch Fehler im Feuchtemanagement verziehen. Die neue Bauweise ist wenig fehlertolerant und fordert von Anfang an gute Ausführung und hochwertige Baustoffe. Und die Beachtung der alten Regel: Was an Feuchtigkeit nicht eingebracht wird, muss auch nicht wieder raus. “ „Unsere Aufgabe ist es ‚Sicherheit zu bauen’. Das heißt für mich nicht nur, die erkennbaren Risiken zu minimieren, sondern auch mit großem Sicherheitsabstand zu Grenzwerten zu bauen, selbst wenn diese von der Norm noch gedeckt sind. Aus meiner Erfahrung heraus garantiert nur die Kombination von dunkler Farbe und Diffusionsoffenheit der Abdichtung ein ‚gesundes’ Dach.“

Jürgen Küllmer
Geschäftsführer und Leiter Anwendungstechnik isofloc Wärmedämmtechnik GmbH
„Wir dürfen beim einschichtigen Dach nicht nur nach oben auf die Abdichtung und nach unten auf die feuchteadaptive Dampfbremse schauen. Die Konstruktion hat neben der vertikalen auch eine horizontale Richtung. Je dicker der Dämmstoff, desto größer die Chance, dass Feuchtigkeit auch über diffusionsoffene Wände von der Seite als Flankendiffusion eindringt.“ „Diffusionsoffenheit bringt feuchtigkeitstechnische Sicherheit durch Austrocknungspotential nach innen, besonders bei tauwasserbehafteten Konstruktionen und für außerplanmäßige Befeuchtungen, die nie auszuschliessen sind. Organische Dämmstoffe erhöhen durch ihre Pufferfunktion weiterhin die Sicherheit der Konstruktionen. Die Ergebnisse der Flach-Dachstudie in Leipzig haben dies eindrucksvoll bestätigt. Unter bestimmten Bedingungen wie z.B. Einbau trockener Materialien, Luftdichtigkeit, feuchtevariabler Dampfbremse und Wolfin-Abdichtung auf Schalung könnten wir problemlos eine Systemgarantie geben.“

Dipl.-Ing. (FH) Johannes Niedermeyer
Holzbau Deutschland - Bund Deutscher Zimmermeister
„Im handwerklichem Holzfertigbau arbeitet man seit langem mit einem hohen Vorfertigungsgrad und kurzen Montagezeiten. Weiterhin wird durch eine kontinuierliche Eigen- und Fremdüberwachung im Holzbaubetrieb und auf der Baustelle der Feuchteeintrag in die Konstruktion minimiert und die Langlebigkeit des Bauteils sichergestellt.“ „Wir können im modernen Holzbau alle Flachdachkonstruktionen realisieren. Die bauphysikalisch anspruchsvolle einschalige und unbelüftete Konstruktion bedarf der Einhaltung der 7 goldenen Regeln. Wenn die Verschattungsfreiheit nicht gewährleistet werden kann, ist eine zusätzliche Überdämmung im Nachweis zu prüfen.“

Günther Reese
Geschäftsführer WOLFIN Bautechnik GmbH
„Unsere Expertengespräche bieten eine Plattform, auf der wir Wissenschaft, Handwerk und Industrie zusammenführen und die auch kontroversen Standpunkten ein Forum gibt. Das dient der Sache: dem Dach, der Technik, dem Markt, auf dem wir als führendes Unternehmen Verantwortung haben und wahrnehmen.“ „Der Bauprozess ist heute komplexer als vor 10 Jahren. Seitdem der Anteil der Sanierungen gestiegen ist, haben sich die Anforderungen an Produkt und Ausführung gewandelt. Vor allem, wenn es nicht mehr nur um Abdichtungsprobleme geht, sondern häufig auch um Nutzungsänderungen mit neuen Anforderungen, ist Vorsicht geboten. In Planung, Ausführung und Produktwahl muss ein besonderes Augenmerk auf den ‚Sicherheitsfaktor’ gelegt werden. Nachhaltigkeit nur im Abschreibungszeitraum reicht im Markt nicht mehr aus.“

DDM Josef Rühle
Mitglied der ZVDH-Geschäftsführung, Leiter Informationsstelle Technik des ZVDH
„Wir haben als Handwerker für eine Leistung zu gewährleisten, die nachhaltig funktioniert. Das geht nur mit fehlertolerantem Bauen. Wobei man in diesem Kontext sagen muss, dass die Unterlüftungsebene, die auf dem Steildach selbstverständlich ist, allemal vorzuziehen wäre. Ich bin der Überzeugung, dass bei Dächern in Holzbauweise mit Beschattung und Dachbelägen die Unterlüftung der abdichtungstragenden Schalung alternativlos ist.“ „Wir müssen den qualifizierten Handwerker mit dem Argument ‚Sicherheit’ mehr in den Fokus des Bauherren rücken. Nur er kann überblicken, wie der objektspezifische und auf die spätere Nutzung abgestellte Schichtenaufbau eines Flachdaches sein muss. Mit Holz bringen wir praktisch immer Feuchtigkeit in die wärmedämmende Konstruktion ein. Deshalb sind fehlertolerante Schichtenfolgen zu bevorzugen. Dazu gehören Konstruktionen, bei denen die tragende Holzkonstruktion unterhalb der dampfsperrenden, wärmedämmenden und abdichtenden Schichtenfolge angeordnet ist. Ebenso können nicht belüftete Konstruktionen mit zusätzlicher Luftschicht unter der Schalung oder belüftete Konstruktionen eine gute Lösung darstellen. Der Handwerker übernimmt für das erstellte Gewerk die Gewährleistung und bevorzugt langfristig bewährte Konstruktionen.“

Louis Schnabl
Baufachjournalist IKBT, Institut für Kommunikation Bau und Technik
„Schwarz oder Weiß? Dampfdicht oder diffusionsoffen? In der Praxis stehen sich – über alle Ebenen hinweg – die Lager nahezu unversöhnlich gegenüber, teilweise wider besseren Wissens. Dabei ist die Thematik, letztlich erst durch die EnEV und ihre Folgen noch gepuscht, realistisch nur über die Bauphysik zu beantworten, also mit naturwissenschaftlich belegten Fakten statt mit ideologischen Argumenten, die nur von kurzsichtigen wirtschaftlichen Interessen geleitet sind.“ „Gerade bei Flachdächern in Holzbauweise mit Zwischensparrendämmung nehmen Bauschäden aufgrund durchfeuchteter Dämmpakete signifikant zu. Immer öfter finden wir Dächer, deren obere Tragschicht komplett verrottet und verfault ist. Nicht die einzige, aber eine häufige Ursache: Mit Einführung und Umsetzung der letzten EnEVs wurden die erforderlichen Dämmstoffdicken stetig erhöht. Dies stellte Planer vor die Aufgabe, entweder stetig an Dicke/Höhe zunehmende Dachränder im ‚normalen’ Warmdach zu akzeptieren oder andere Lösungsansätze zu suchen. Und da wurde nicht immer die Bauphysik beachtet.“