Schimmel – die Herausforderung für Planer und Handwerk

Experten schlagen Alarm. Der deutsche Wohnungsbestand droht unbewohnbar zu werden. Schimmel allerorten – und anscheinend ist kein Kraut dagegen gewachsen. Oder doch? Auf Einladung der Frenzelit Werke GmbH trafen sich führende Schimmelexperten aus Handwerk, Bauwirtschaft, Verbänden und Industrie, um im Rahmen eines Expertengesprächs in Wiesbaden der Frage nachzugehen: Wo kommt der Schimmel eigentlich her? Und wie kriegen wir ihn wieder weg?
Die zehn wichtigsten Forderungen:
- mehr Bauphysik in die Ausbildung von Handwerkern und Architekten
- Schulung des Handwerks über die physikalische Effektivität von Heizfolienlösungen
- Planung und Einbau von Zwangslüftungen
- Planung und Einbau von Abluftsystemen in Bad und Küche
- Flexibilisierung der Normen auf unterschiedliche Wohnsituationen
- bessere Verbraucheraufklärung
- Querlüftung baulich ermöglichen
- Gebrauchsanweisungen für Häuser
- Trennung von Wohnung und Feuchträumen (z.B. Trocknerraum)
- regelmäßiger Wohngesundheits-TÜV

Dipl.-Ing. (DH) Torsten Aeugle
Prokurist, Leiter Geschäftsbereich hicoTHERM der Frenzelit Werke GmbH
„Probleme der Bauphysik lassen sich nicht mit Chemie lösen. Die Flächenheizung aus der Wand ist die bauphysikalische Lösung der Wahl, wenn es darum geht, bestehende Schimmelpopulationen entweder erst gar nicht aufkommen zu lassen oder zu beseitigen.“ „Das einzige Mittel, das wirklich und auf Dauer gegen den Schimmel hilft, ist, ihm den Nährboden zu entziehen, also das Feuchte trockenzulegen. Und das geht nur mit Wärme – und zwar genau da, wo sich auch die Feuchte niederschlägt: an der Wand. Das ist die Idee hinter den Sanierungs-Systemen auf Basis von hicoTHERM®. Wenn winzige Carbonfasern Strom effektiv in Wärme umwandeln – ein „Infrarotstrahler“ – wird Vermietern und Mietern ‚warm ums‘ Herz‘. Und dem Schimmel der Boden zu heiß.“

Assessor Ingo Apel
Rechtsanwalt, Vorstand Haus und Grund Düsseldorf und Umgebung
„Rund 30 % unserer Mitglieder leiden unter der Vollkaskomentalität ihrer Mieter. Der Gesetzgeber unterstützt noch den Anspruch, 365 Tage im Jahr eine mängelfreie Wohnung zu haben, bei der eigenes Fehlverhalten vom Vermieter gezahlt werden muss. Kein Wunder, wenn dieser nach der Sanierung seine Miet- in eine Eigentumswohnung umwandelt.“ „Breiten Bevölkerungsschichten fehlt das Problembewusstsein. „Besser Gestellte“ kann man zur Not mit Merkblättern aufklären. Schwierig wird es in den Schichten, die kaum in der Lage sind, den Mietvertrag zu verstehen. Die Hausbesitzer sind doch doppelt gestraft. Erst zwingt der Gesetzgeber sie zu teuren Investitionen in die luftdichte Gebäudehülle. Dann bestraft er sie durch allzu mieterfreundliche Gesetzgebung. Der Nutzer profitiert gern von geringeren Heizkosten, sieht aber nicht ein, sein Lüftungsverhalten zu ändern.“

Alfred Backhausen
Vorstand des BVFE Bundesverband zur Förderung der Energieeffizienz e.V., Sachverständiger, Energieberater, Dachdeckermeister
„Die Erfahrung zeigt: Was ich technisch lösen kann, muss ich auch technisch lösen. Das nötige Know-how zum Beispiel zur Zwangslüftung ist da, die Technik auch, und mit beidem kann ich die mangelnde Einsicht oder Disziplin der Wohnungsnutzer überlisten.“ „Die hohe Energieeffizienz im Bauwesen ist gesellschaftlich wie privat ein hohes Ziel, das nicht zur Disposition steht. Deshalb gibt es auch keinen Weg zurück hinter den Stand der Dämm- und Heizanlagentechnik. Allerdings auch keinen Grund für weitere Verschärfungen der EnEV. Bei einer Dämmstoffdicke z.B. von 16 cm machen sich die letzten Zentimeter nicht mehr positiv bemerkbar. Nicht die quantitative Ausdehnung der Dämmung bringt Ergebnisse, sondern die qualitativ bessere Ausführung im Detail.“

Stefan Betz
SV Feuchtigkeits-/mikrobielle Schäden, öffent. bestellter u. vereid. SV Schimmelpilze Innenräumen (IHK Koblenz), beigeordn. Vorstand Bundesverband Schimmelpilzsanierung e.V.
„Bauen ist so komplex geworden, dass es unverantwortlich wäre, nur das eigene Gewerk oder das eigene Produkt ohne seine Wechselwirkungen zu sehen. Wir brauchen dringend eine Professionalisierung des Beraterwesens mit interdisziplinär geschulten Fachleuten, die wissen, was sie sagen und die daher auch in die Beraterhaftung genommen werden können.“

Dipl.-Ing. Klaus-Peter Böge
Öffentl. bestellter u. vereid. SV für Messungen u. Beurteilung von Innenraumluft der IHK Lübeck, Gründer u. Betreiber Schimmel- und Wohngift-Ambulanz
„Ich erlebe seit 30 Jahren, wie es in Deutschland zugeht: ein Missstand ohnegleichen. In rund 30% aller Wohnungen herrscht durch Wohngifte eine gesundheitliche Katastrophensituation, die weder von den Medizinern noch von den Gesundheitsbehörden gesehen wird. Das ist unerträglich.“ „Nach eigenen Messungen hat sich der Frischluftwechsel in den letzten Jahrzehnten auf bis zu 1/40 früherer Werte reduziert. Die Folgen für die Gesundheit vor allem der Kinder sind fatal. Wenn eine ohnehin schon praxisfremde Lüftungsnorm den Irrglauben stützt, es sei mit Stoßlüften getan, wird sich daran nichts ändern. Unsere Vorfahren haben fast nur im Freien gelebt. Die kurze Zeit seither hat nicht zur evolutionären Anpassung an heutige Wohnbedingungen gereicht. Wir brauchen keine Alibi-, sondern eine Permanentlüftung!“

Stuckateurmeister Josef Höninger
„Schimmelpilzbeauftragter“ TA Fachverband Stuckateure und Bundesverband Ausbau und Fassade im ZDB, GF Stuckateur- und Malerbetriebs Höninger GmbH
„Häufig scheitert die Schimmelpilzsanierung am Mitmachen der Nutzer, ohne Änderung des Heizungs- und Lüftungsverhaltens ist die Sanierung umsonst. Das neue Auto wird gern gezeigt, die neue Küche auch – die schwarzgesprenkelte Wand will man ja niemandem zeigen.“ „Jeder Handwerksbetrieb mit Zusatzqualifikation kann eine Schimmelpilzsanierung durchführen. Aber ob diese nachhaltig ist, hängt vom Nutzerverhalten ab. Bei Wohneigentümern stößt man meist auf offene Ohren – sie haben keine Lust, erst eine Wertminderung ihrer Immobilie zu verursachen und dann noch in die Sanierung zu investieren. Bei Mietern fehlt es oft am Bewusstsein für die Gefährdung der eigenen Gesundheit und an der Verantwortung für den werterhaltenden Umgang mit dem Vermietereigentum.“

Heiner Pistorius
Obermeister Maler- & Lackierer-Innung
„Eine Sanierung, die das Problem nur für den Augenblick der abgeschlossenen Maßnahme löst, ist keine. Wenn ich Schimmelbefall nachhaltig sanieren will, muss ich auch die Raufasertapeten mit den Dispersionsanstrichen entsorgen und z.B. durch Innenputz und Silikatfarbe ersetzen sowie die neuen Lösungen der Industrie einbauen, die auf bauphysikalischem Wege die Probleme an der Wurzel packen.“ „Jede Krise ist bekanntlich eine Chance. Die Entwicklung des Bauens hat dem Handwerk gewaltige Marktchancen eröffnet. Z.B. mit der Sanierung von Wohnungen mit Schimmelpilzbefall. Eine fachgerechte Sanierung ist aber nicht mit den Bordmitteln der Standardausbildung zu leisten. Um am Schimmelsanierungsmarkt verantwortlich teilzunehmen, muss das Handwerk die Qualifizierungsangebote annehmen.“

Ulrich Ropertz
Pressesprecher Deutscher Mieterbund e.V.
„Feuchte Wände und Schimmel sind natürlich nicht nur optische und hygienische Probleme, sie sind gesundheitsgefährdend. Und sie belasten vielfach das Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter. Der immer wieder zu hörende Vorwurf, Mieter seien verantwortlich für die Schäden, weil sie zu wenig heizen oder lüften, greift vielfach zu kurz. Natürlich gibt es Fälle falschen Wohnverhaltens. Nach einer Untersuchung in über 12.000 Wohnungen sollen die Bewohner aber in weniger als 10 % der Fälle für die Schäden verantwortlich sein. Etwa 60 % konnten eindeutig auf bauliche Mängel der Gebäude zurückgeführt werden, bei den restlichen gut 30 % waren beide Einflüsse für das Wachstum von Schimmelpilzen verantwortlich. Planer und Architekten müssen sich hier angesprochen fühlen, sie müssen auch die bauphysikalischen Folgen und Konsequenzen einzelner energetischer Baumaßnahmen viel besser kommunizieren.“

Louis Schnabll
Baufachjournalist IKBT, Institut für Kommunikation Bau und Technik
„Die Geschichte der Schimmelpilzproblematik im Zuge des Trends zur luftdichten Gebäudehülle ist im Grunde die Geschichte des Irrtums, man könne immer weiter an einer bauphysikalischen Stellschraube Dichtheit drehen, ohne dass das Auswirkungen auf den bauphysikalischen Faktor Lüftung hat.“ „Die Energiefrage, insbesondere das Einbeziehen der regenerativen Energieträger auch in den Bauprozess, führt mittelfristig zu einem Umbau des Gebäudebestandes, so wie in den vergangenen Jahrzehnten die zunehmende Wärmedämmung den Bestand verändert hat. Nur mit einem grundlegend neuen Denken und Handeln in Bezug auf unsere gebaute Umwelt ist im Neubau und in der Sanierung diese EnergieWende überhaupt zu schaffen.“