Herausforderung Nachhaltigkeit
Wie sieht der Baumarkt, insbesondere der Bedachungsmarkt der Zukunft unter dem Aspekt Nachhaltigkeit aus? Wie wirken sich umweltgerechte Baustoffe auf die Kosten aus? Haben Handwerk und Bedachungsfachhandel aufgrund der demographischen Entwicklung in der Gesellschaft überhaupt noch Chancen, ihre notwendigen Nachwuchskräfte zu akquirieren? Fragen nach der Zukunft, die sich heute in den Vordergrund stellen und die im Rahmen der Wiesbadener Expertengespräche aufgegriffen wurden, für die Henkel/WOLFIN Bautechnik seit Jahren die Plattform bietet. Auch 2010 diskutierten hochkarätige Experten aus Politik, Wissenschaft, Umwelt, Industrie, Handel und Handwerk in Wiesbaden über die Zukunftsfähigkeit der Branche.
Bedachungsmarkt Zukunft – Die 10 wichtigsten Forderungen
- branchenweiter Konvent der Praktiker als Ansprechpartner des Bauministeriums
- Nachhaltigkeit als Grundgesetz des Bauens implementieren
- gesteuerte Zuwanderung und deutsche Handwerkerschulen im Ausland
- Vergabe eines Preises für nachhaltiges Bauen
- nicht auf die Politik warten, sondern entscheidungsfähige Vorlagen liefern
- Endverbraucher/Investoren in die Diskussion einbeziehen
- Handwerker als Förderungsberater
- Entwicklung von Produkten mit kürzerer Verarbeitungszeit längerer Lebensdauer
- professionelle begleitende Kommunikation
- Technologien entwickeln, deren Handling dem Fachkräftemangel Rechnung trägt
Dr. Klaus W. Lippold
Vorstand IVK Industrieverband Kunststoffbahnen e.V.
„Der Staat kann entweder über Ordnungsrecht (Gesetze, Verordnungen) oder über Anreize steuern. Die Erfahrung hat gezeigt, dass finanzielle Anreize z.B. über Steuerersparnis für den Investor sehr gut funktionieren. Steuern sparen ist in Deutschland ein Schlüsselreiz. Auch über Zuschüsse zu Investitionen können Effekte erzielt werden. Der bessere Impuls geht jedoch von steuerlichen Anreizen aus. Im Grunde genommen finanzieren die finanziellen Anreize sich selbst: Die Investition führt zu Mehrwertsteuer, Lohnsteuer, Gewerbesteuer und bringt so viel, wie der Steuerverzicht des Staates. Das ist geradezu ideal.“ „Wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, als könnten wir uns anhand futurologischer Voraussagen frühzeitig auf die Zukunft einstellen. Wir können, wenn es hochkommt, die nächsten fünf Jahre mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit überblicken. Alles andere ist Quatsch. Die Planwirtschaften der Welt haben eindrucksvoll bewiesen, dass nur gewinnt, wer die Prognosen permanent an der Wirklichkeit überprüft und entsprechend reagiert.“
Dipl.-Betriebswirt Klaus H. Niemann
niemann.consulting, Vorsitzender Industrieverband DUD e.V., stellv. Vorsitzender Aktion Dach, Mitglied Kuratorium Fraunhofer Institut (IBP)
„Unsere Branche wird nur zukunftsfähig sein, wenn die Beteiligten ihre Verantwortung erkennen und übernehmen. Das bedingt Gespräche in einer ganz anderen Qualität und Dimension als gewohnt. Da müssen Nachhaltigkeit und Werthaltigkeit den Sprung von der Worthülse zum Grundgesetz des Bauens vollziehen. Das schließt auch die Anpassung der öffentlichen Vergaberichtlinien (VOB) ein: weg von der Billigkeit, hin zur Nachhaltigkeit. Es kann nicht sein, dass der Anbieter belohnt wird, der für das wenigste Geld den geringsten Wert bietet. Dazu müssen sich Bauindustrie, Handwerk, Fachgroßhandel und die großen Investoren zu hochkarätigen Konventen mit den Bundes- und Landesbauministerien zusammenfinden.“
„Wer in unserem Lande Zukunft will, muss heute dringend und auf breiter Front der unseligen Entwicklung gegensteuern, dass wichtige Infrastrukturprojekte wie Stuttgart 21 oder große Industrieansiedlungen faktisch kaum mehr durchsetzbar sind. Wer diese Projekte nicht von vornherein klug kommuniziert, kann nur noch zuschauen, wie die Industrie abwandert.“
Dipl.-Betriebswirt Klaus H. Niemann
niemann.consulting,
Vorsitzender Industrieverband DUD e.V.,
stellv. Vorsitzender Aktion Dach,
Mitglied Kuratorium Fraunhofer Institut (IBP)
Hans R. Peters
Geschäftsführer IBU, Institut Bauen und Umwelt e.V., Vertreter der DGNB Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen e.V.
„Wir machen häufig den Fehler, zu viel von ‚denen da oben‘ zu erwarten, und sind enttäuscht, wenn von oben so wenig kommt. Das ist ein Denkfehler. Ich unterstelle, dass auf der Gesetzgebungsebene genügend guter Wille vorhanden ist, aber auch in der Politik reicht guter Wille allein nicht aus. Man muss wissen und verstehen, worüber man entscheidet. Deshalb müssen erst einmal die Baubeteiligten miteinander reden und sich darauf einigen, was sie gemeinsam wollen. Und wenn sie es dann auch noch schaffen, ausgereifte, diskussionswürdige und entscheidungsfähige Vorlagen zu liefern, werden sie feststellen, dass sich mit der Politik auch etwas bewegen lässt.“ „Nicht nur auf dem Sektor der erneuerbaren Energien ist Deutschland technologisch mittlerweile weltweit führend. Nachhaltiges Bauen hat bei uns einen traditionell hohen Stellenwert – wir bauen nicht auf Zeit, sondern mit Langzeitperspektive für viele Generationen. Nachhaltiges Bauen hat ebenfalls einen hohen Innovationsfaktor. Was etwa im Zusammenhang mit der energetischen Optimierung des Bauens an Innovationen für die Gebäudehülle oder für die Haustechnik entwickelt wurde, gibt nicht nur dem Bauen Zukunft, sondern auch der deutschen Bauindustrie.“
Günther Reese
Geschäftsleitung Henkel/WOLFIN Bautechnik
„Nachhaltigkeit muss sein, keine Frage. Aber der Begriff ist zunehmend diskreditiert, weil er für eine Beliebigkeit steht, die Betroffenheit suggeriert, aber nicht zum Engagement verpflichtet. Ich ziehe daher den ehrlicheren Begriff Verantwortung bzw. verantwortliches Handeln vor.“ „Die demographische Veränderung stellt uns vor einen Berg von Problemen, für den wir mehr als eine gute Antwort brauchen. Wir müssen unablässig, sehr viel intensiver als bisher und auch mit neuen Wegen für die Ausbildung im Handwerk werben. Wir müssen uns auf den Fachkräftemangel einstellen und in der Industrie neue Technologien entwickeln, die mit geringerem Handwerkeraufwand verarbeitet werden können bzw. dank ihrer höheren Lebensdauer mehr Nutzen und Wertschöpfung bei weniger Arbeitsaufwand erbringen. Und wir müssen zum Beispiel der Lebensarbeitszeitverlängerung Rechnung tragen, indem wir Systeme entwickeln, die die körperliche Belastung reduzieren.“
Bernhard Scheithauer
Geschäftsführender Vorstand Dachdecker-Einkauf Süd eG
„Wir können es uns heute nicht mehr leisten, bei den Ausbildungsbewerbern nur nach den ‚Diamanten‘ zu suchen. Wir brauchen genauso den Nachwuchs mit Defiziten in der Vorbildung und Arbeitsmoral. Wir müssen in den sauren Apfel beißen und im Interesse der Nachwuchssicherung selber den mühsamen Weg der Nacherziehung und Nachschulung gehen.“ „Im internationalen Vergleich gelten wir – und ich denke auch zu Recht – als Benchmark. Das System der dualen Ausbildung, das System der Handwerksmeister, das Miteinander von Baustoffindustrie, Fachgroßhandel und Handwerk ist in dieser Form wohl nur noch in der Schweiz und Österreich zu finden. Diese Errungenschaften sollten wir nicht leichtfertig aufgeben, sondern sie im Gegenteil noch ausbauen. Zum Beispiel haben wir noch Defizite, wenn es darum geht, den Vierten im Bunde in das Miteinander zu integrieren und in die Kommunikation einzubeziehen. Auch der Investor, der Endverbraucher gehört mit an den Tisch und muss seinen Platz zum Beispiel in den Beiräten der Industrie finden!“
Louis Schnabl
Fachjournalist, Institut für Kommunikation Bau und Technik
„Wenn wir im Bau zukunftsfähig werden wollen, brauchen wir angesichts der signifikanten Veränderungen in der Gesellschaft neue Formen der Kommunikation, vor allem eine neue Qualität im Schulterschluss von Industrie, Handel und Handwerk.“ „Verantwortliches Bauen verlangt nachhaltige Kommunikation. Wenn wir unsere Botschaften an den Mann bringen wollen genügt es nicht, mit einem Paukenschlag Aufmerksamkeit zu erringen. Die Wirkung verhallt. Langfristig wirksame Veränderungen in der Denkstruktur unserer Branche bedürfen einer planmäßigen professionellen Kommunikation auf breiter Ebene und mit permanenter Wiederholung. Es genügt nicht, Prozesse in Gang zu setzen, sie müssen begleitet und am Leben gehalten werden.“
Dachdeckermeister Artur Wierschem
Stellv. Hauptgeschäftsführer ZVDH e.V., Geschäftsführer Berufsbildung, Vorstand Berufsbildungswerk des Dachdeckerhandwerks
„Beim Thema Zuwanderung nach Osteuropa zu schauen hilft nicht weiter – die haben das gleiche demographische Problem wie wir. Wir müssen dann eher nach Indien, Pakistan oder China schauen – und dort schon z.B. mit ‚deutschen’ Handwerkerfachschulen und Sprachkursen auf eine Ausbildung in Deutschland vorbereiten und damit die Zuwanderung praxisgerecht gestalten.“ „Um die Zukunftsfähigkeit unseres Handwerks ist mir überhaupt nicht bange. Wir haben schon frühzeitig viele Weichen richtig gestellt. Wo das Handwerk sicherlich noch etwas tun kann, ist, neue Felder etwa im Bereich der Solartechnologie zu besetzen, bevor andere es tun. Und dabei die Qualität der Beratung zu verbessern, zum Beispiel neben dem Kostenvoranschlag auch die entsprechenden Informationen über Fördermittel oder Finanzierungskonzepte zu geben. Schließlich muss der Dachdecker dabei nur auf unsere Fördermitteldatenbank im Internet zurückgreifen.“