Die neue PSA Verordnung

Wer, was, wann, wo, wie?
Die neue PSA-Verordnung – Unwissenheit und Unsicherheit allerorten. Dabei ist der 20.4.2018 Deadline für die Umsetzung. Louis Schnabl vom IKBT Düsseldorf (Institut für Kommunikation Bau und Technik), sprach mit Vertretern von internationalen PSA-Herstellern, der Unfallversicherungsträger und der DGUV.
Am 20. April 2016 trat die neue PSA-Verordnung der Europäischen Union in Kraft. Sie trägt den sperrigen Namen „Verordnung (EU) 2016/425 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über Persönliche Schutzausrüstungen“ und dient zur Aufhebung der Richtlinie 89/686/EWG". Sie richtet sich zwar in erster Linie an die Hersteller von Persönlichen Schutzausrüstungen (PSA) sowie Importeure und Händler, aber auch die Sicherheitsverantwortlichen auf der Anwenderseite müssen wissen, was sich im Vergleich zur Richtlinie 89/686/EWG geändert hat bzw. bis zum 20. April 2018 ändern wird. Denn solange gilt die Übergangsfrist, die Herstellern, Behörden und Zertifizierungsstellen Gelegenheit gibt, sich auf die Änderungen einzustellen. Produkte, die noch der „alten“ EWG-Richtlinie entsprechen, dürfen übrigens noch bis März 2019 in Verkehr gebracht werden.
Es ist zu erwarten, dass professionelle Internet-Anbieter wie Amazon etc. das PSA-Geschäft mehr und mehr übernehmen und bisher noch fehlende Expertise durch ihre Algorithmen-Kompetenz, wo sie praktisch uneinholbar vorne sind, mit den PSA-Herstellern oder PSA-Plattformen ausgleichen. Mit Online-Beratung. Online-Schulung. Also Online-Einkauf – im System.
Einkauf PSA – Fragen, die Sie sich stellen sollten!
- Warum hat die neue PSA-Verordnung Internetanbieter in die Liste derer aufgenommen, die Verantwortung für die aktuelle Zertifizierung tragen?
- Gehört auch im Bereich des PSA-Einkaufs die Zukunft den Direktvertreibern und dem eCommerce-Handel?
- Werden die Internetanbieter ihr – noch – bestehendes Expertise-Defizit nicht einfach durch Verlinkung mit Fach-Foren, PSA-Herstellern und Behörden etc. ausgleichen?
- Werden die herkömmlichen Großhandelsformen den Wettbewerb mit dem Online-Handel überleben?
- Haben die „Kleinen“ Zukunft und Existenzberechtigung in der Nische?
- Wer ist in Zukunft mein PSA-Partner?

Jörg Illmann
Vertriebsleiter SCOTT SAFETY (Kempen)
Die neue Verordnung ist auch Chance für die Hersteller. Der Zwang zu einer immer wiederkehrenden Zertifizierung wird zu einer Sortimentsbereinigung führen. Der Einstieg der Online-Händler in den B-2-B-Markt zu einer Marktbereinigung. Mit unseren eigenen, internetbasierten Handelsplattformen haben wir uns deshalb schon heute auf den Markt der Zukunft eingestellt. Ich sehe als Herausforderung, verstärkt mit komplementären Anbietern zusammenzuarbeiten. Einerseits, um unsere Ressourcen wirtschaftlicher zu nutzen, andererseits, um selbst den Systemgedanken stärker zu bedienen.

Dipl.-Dolm., Dipl.-Übers. Petra Jackisch
Leiterin der Geschäftsstelle des Fachbereichs Persönliche Schutzausrüstungen der DGUV, BG BAU, Stabsabteilung
Einer der wichtigsten Erfolge der neuen PSA-Verordnung ist es, dass wir endlich die Uraltzertifikate wegkriegen. Aber, der Wissensstand zur neuen PSA-Verordnung ist beklagenswert gering. Nicht zuletzt, weil noch Erläuterungen zur Auslegung durch die EU-Kommission bzw. die Mitgliedstaaten ausstehen. Und – die neue PSA-Verordnung setzt wie die alten Regelungen auf die Steuerungsmechanismen einer effiizienten Marktaufsicht. Hier wird es wichtig sein, durch enge Abstimmung zwischen den Mitgliedstaaten einheitliche Vorgehensweisen sicher zu stellen.

Prof. h. c. Dipl.-Ing. Karl-Heinz Noetel
Vizepräsident ISSA Construction (International Social Security Association), Leiter des Fachbereichs PSA der DGUV, BG BAU
Die neue PSA-Verordnung – ein Bürokratiemonster aus Brüssel? Keineswegs. Die Überarbeitung war notwendig, weil sich die Technik weiter entwickelt hat und die Verantwortlichkeiten der am Marktprozess beteiligten Kreise klarer formuliert werden mussten. Und weil sie die notwendige Anpassung der alten Regeln auf die sich immer schneller verändernde Marktbedingungen sicherstellt. Deshalb ist auch der e-Commerce-Handel jetzt erstmals erfasst. Damit reagiert die Politik auf die Beschaffungszukunft!

Udo Pitschner
Geschäftsführer Arteak GmbH (Coesfeld)
Das Einkaufsverhalten ändert sich rasant wie nie zuvor. Der Kunde will Beschaffung nach Möglichkeit mit einem Mausklick. Mit der Sicherheit, dass das Produkt stimmt. Das System stimmt. Und die Konformität stimmt. Zwei Dinge sind dabei für unseren Erfolg maßgeblich: Wir sind Teil eines international agierenden Unternehmens. Wir bieten nicht nur isolierte Lösungen, sondern Sicherheit im System von Kopf bis Fuß. Uns genügt nicht, PSA herzustellen und zu verkaufen – selbstverständlich auch online. Ebenso wichtig ist aber auch das persönliche Erbringen von Dienstleistungen im Zusammenhang mit Gesundheitswesen- und Sicherheitsmanagement, Risikomanagement, Risikobeurteilung sowie Schulung- und Ausbildungsmaßnahmen.

Louis Schnabl
Geschäftsführer IKBT Institut für Kommunikation Bau und Technik (Düsseldorf)
Amazon & Co. stellen die Weichen für ihre Zukunft im B-2-B-Geschäft. Sind klassische Großhandelsformen, die heute noch Hauptlieferanten für PSA sind, morgen noch Versorgungspartner? Einige propagieren immer noch: Wer die Daten hat, der hat den Markt. Längst überholt und nur Schutzbehauptung. Richtig ist, wer die Algorithmen hat, hat den Zugriff auf die individuellen Bedarfe und damit auf die Beschaffung. Das allseits bekannte „Sie haben … gekauft. Das könnte Sie auch interessieren …“ wird sich aus meiner Sicht als besonderer „System-Nutzen“ gerade im B-2-B-Geschäft durchsetzen. Die PSA-Hersteller sollten also unbedingt die Zusammenarbeit „im System“ anpacken. Ob sie wollen oder nicht.