Bausanierung mit Innovation und Langzeitnutzen
Deutschland – ist nicht nur der Flughafen, sondern auch die Bausanierung im Bestand das Konjunkturpaket, die Beschäftigungsmaschine schlechthin für die Zukunft? Auf der einen Seite steht die Erbengeneration mit hochwertigster Sanierung im Privatbereich, auf der anderen Seite der seit Jahrzehnten darbende öffentliche Bau mit Schulen, Kitas, Krankenhäusern etc., der zwischen Abriss und „Löcher stopfen“ schwankt. Und dazwischen irgendwo der Wirtschaftsbau. Wie in diesem Szenario die Weichen für nachhaltige Sanierung gestellt werden können, darüber diskutierten hochkarätige Experten aus Politik, Wissenschaft und Lehre, Industrie und Handwerk im Rahmen der Wiesbadener Expertengespräche, mit denen WOLFIN seit Jahren für „Zukunftsthemen“ die Plattform bietet.
Sanierung mit Innovation – Die 10 wichtigsten Forderungen
- steuerliche Abschreibung für Sanierungsinvestitionen
- steuerliche Abschreibung für (Bau-)Handwerkerleistungen
- mehr Qualitätsorientierung und Nachhaltigkeit bei den Kommunen
- städtebauliche Neuorientierung hin zur Bestandsaufwertung
- „Abwrackprämien“ für energetisch problematische Immobilien
- Förderung seniorengerechten Wohneigentums als Altersvorsorge
- neue, praxisnahe Ausbildung der Architekten zu Baukoordinatoren
- neue, unternehmerische Ausbildungsinhalte für Handwerksmeister
- höhere Qualitätsstandards im europäischen Normungsprozess
- schnellere Zulassungsverfahren für Bauinnovationen
Dipl.-Ing. Hans-Dieter Hegner
Ministerialrat, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
„Jeder in den Baubereich investierte Euro des Bundes schafft erfahrungsgemäß bis zu achtmal höhere Folgeinvestitionen. Die gezielte Förderung des Wohnungsbaus auch im Bestand dient – zum Nutzen aller – der konjunkturellen Entwicklung. Voraussetzung ist allerdings auch eine Bauwirtschaft, die sich konzentriert aufstellt, um den Gedanken des Leitbildes Bau zu forcieren. Und die Forschung und Innovation deutlich weiter verbessert.“ „Mit dem Qualitätsstandard, den wir erreicht haben, könnte Bauen ähnlich wie der Maschinenbau ein Exportschlager sein. Nur steht uns hier das Defizit in der überzeugenden Darstellung im Wege. Die Demonstration unseres Plus-Energie-Hauses aus der BMVBS-Forschungsinitiative Zukunft Bau, die wir jetzt in verschiedenen Städten Deutschlands realisieren, ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung, der aber von der Branche noch massiv auszubauen wäre.”
Heinz-Jakob Holland
Managing Director Operating Unit Central West, URSA Deutschland GmbH
„Wir haben eigentlich beste Voraussetzungen. Wir haben einen hohen Standard im Handwerk – im Gegensatz etwa zu den USA – und damit ein Niveau, das zu verteidigen sich lohnt. Wir haben mindestens zehn Millionen sanierungsbedürftige Häuser. Auch das Geld ist da, es landet nur mehr beim neuen Auto oder dem Urlaub auf Mallorca statt in der Aufwertung des Baubestandes. Jetzt gilt es, unsere PS auch auf den Boden zu bringen. Das heißt aber, den Bauherrn gezielt, gebündelt, koordiniert und vor allem kreativ anzusprechen. Nämlich in einer Sprache, die er versteht, und in einer Dosis, die er verarbeiten kann.“ „Deutschland ist ein Mieterland – ca. 65% der Bevölkerung verfügen über kein Eigentum. Das heißt im Umkehrschluss: Wir haben einen gigantischen Mietwohnungsmarkt. Bei der aktuellen demographischen Entwicklung lässt sich schon jetzt ein baldiges Überangebot prognostizieren. Bei der Entwicklung der Mietnebenkosten aber auch, dass langfristig nur energetisch optimierte, attraktive Wohnungen Marktchancen haben.“
Dirk Knoll
Geschäftsführer Hees & Knoll Dachtechnik GmbH
„Wir müssen heute an morgen denken. Auf den Dachdecker kommt in Zukunft eine wesentlich größere und umfangreichere Beratungsleistung zu. Auch die Bürokratisierung trägt dazu ihren Teil bei, wenn ich etwa an die Unternehmererklärung z.B. zum U-Wert denke. Hier erwarte ich einerseits von Seiten des Staates, dass uns nicht noch mehr aufgebürdet wird. Andererseits von der Industrie, dass sie den Ausführenden stärker unterstützt. In einem Punkt allerdings müssen wir uns vorrangig an die eigene Nase fassen. Wir müssen besser als bisher verkaufen lernen. Es reicht nicht, ein guter Handwerker zu sein. Wer überleben will, muss auch ein guter Verkäufer sein. Das hat sicher auch mit Begabung zu tun, aber was man dazu lernen kann, da sehe ich die Innungen stärker in der Pflicht.“ „Mit der neuen EnEV 2009 kommen auf uns Handwerker neue Forderungen zu. So müssen wir unserem Bauherrn nach Beendigung der Baumaßnahme unaufgefordert eine Unternehmererklärung, also eine formlose Erklärung, dass der Unternehmer die Leistung nach der Planung den anerkannten Regeln der Technik und gemäß den Vorschriften der EnEV 2009 ausgeführt hat, zukommen lassen. Diese Forderung müssen wir als Chance begreifen, Qualität und Nutzen unserer Arbeit zu dokumentieren und damit mittelbar zu vermarkten.“
Dipl.-Betriebswirt Klaus H. Niemann
Geschäftsleitung Henkel/WOLFIN Bautechnik
„Wenn das Dachhandwerk fit sein soll für die Chancen der Zukunft, müssen wir bei den jungen Handwerkern anfangen. Die Industrie muss ihren Part leisten, intensiver schulen, wie wir es mit unseren Praxisschulungen, aber auch mit dem Branchenstandardwerk WOLFIN-Ratgeber seit zwei Jahrzehnten machen. Aber auch die Meisterschulen müssen ihre Lehrpläne so verändern, dass die Handwerker nicht nur fachlich top sind, sondern auch in punkto Betriebswirtschaft, Kommunikation und Marketing.“ „Wir brauchen neue Konzepte für eine effizientere, auch besser koordinierte Lobbyarbeit. Eine Voraussetzung ist sicherlich die bessere Vernetzung unter den Unternehmen, die mit dem Bau zu tun haben. Eines unserer Ziele dabei muss sein, die Forderung nach echten steuerlichen Anreizen für Bauwillige durchzusetzen. Ein weiteres Ziel: die Kommunen im Sinne der Nachhaltigkeit für eine stärkere Qualitätsorientierung zu gewinnen, was übrigens auf beiden Seiten auch die Rendite verbessern würde. Und schließlich müssen wir noch sehr viel mehr für das Image des Baus beim Nachwuchs tun. Wir brauchen junge Leute, die Bauen nicht mit Dreck verbinden, sondern sympathisch finden und darin Zukunft sehen.“
Erich Rosenkranz
Vorstand Roto Dach- und Solartechnologie GmbH
„Wenn wir Bauprojekte aus dem Low- oder No-Interest-Bereich holen wollen, müssen wir unsere Argumente in Nutzen übersetzen und kommunizieren. Kommunikation ist für uns das Allerwichtigste. Nur über Kommunikation lässt sich Nachfrage erzeugen. Aber steuern lässt sie sich am besten mit Steuern. Deshalb müssen wir uns sehr viel stärker als bisher in Berlin ebenso wie – in unserem Fall – in Stuttgart engagieren. Aber wohlgemerkt Industrie, Handwerk und Planer mit einer Stimme!“
„Wir haben keine Krise, die Absatzzahlen entwickeln sich über denen des Vorjahres. Dieser Erfolg ist darauf zurückzuführen, dass wir konsequent auf Innovation und Langzeitnutzen, nicht nur, aber auch für die Sanierung setzen. Wir machen heute 30 bis 40 % unseres Umsatzes mit Produkten, die jünger als drei Jahre sind, z.B. mit Zukunftsthemen wie Energieeinsparung/ -gewinnung. Ebenso wichtig ist ein Höchstmaß an Flexibilität bei der Organisation der Arbeitsprozesse, das uns erlaubt, auch individuelle Kundenanfragen in kürzester Frist umzusetzen!“
Erich Rosenkranz,
Vorstand Roto Dach- und Solartechnologie GmbH
Steffen Saebisch
Staatssekretär im Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung
„Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist innovatives Handeln unerlässlich. Es ist von existenzieller Bedeutung, sich auf die aktuellen und zukünftigen Erwartungen von Investoren einzustellen, sich mit den politischen Rahmenbedingungen auseinanderzusetzen und neue Technologien aufzugreifen.“ „Zeitgerechte und bedarfsorientierte Produktentwicklungen eröffnen Absatzchancen. Gerade die Bauwirtschaft bietet ein hohes Maß an Innovation und Leistungsfähigkeit. Der Markt lebt von innovativen Entwicklungen und dem Wettbewerb. So ist es beim Bauen, Sanieren und Nutzen von Gebäuden unerlässlich, das Handeln an Nachhaltigkeitsstrategien auszurichten.“
Volkmar Sangl
Vorstand DEG Alles für das Dach eG
„In Tschechien sind Handwerkeraufträge mehrwertsteuerbegünstigt – und dem Problem der Schwarzarbeit wird die Grundlage entzogen. In Frankreich zahlt man im Baubereich weniger Mehrwertsteuer – und die Bauwirtschaft läuft stabil. Nun ist wohl in Deutschland an der Mehrwertsteuer politisch nicht zu rütteln. Aber mit der steuerlichen Geltendmachung von Handwerkerkosten oder entsprechenden Abschreibungsangeboten für Investitionen in die hochwertige Sanierung im Bestand ließen sich ähnliche Wirkungen erzielen.“ „Wir brauchen Innovation nicht nur auf dem Produktsektor, sondern auch auf dem Kommunikationssektor. Und zwar mit dem Ziel, uns als Problemlöser aufzustellen, der mit einem Ansprechpartner als Koordinator Bauprojekte realisieren hilft. Wir brauchen Innovation aber auch auf politischer Ebene. Der Verbraucher reagiert in Deutschland nun einmal vor allem auf Steueranreize, wie die Abwrackprämie für Autos gezeigt hat. Mit intelligenten Steueranreizen ließe sich auch die Nachfrage in einer Branche steuern, die lobbymäßig nicht so gut organisiert ist wie die Autobranche, die aber in ihrer Bedeutung für die Volkswirtschaft dieser in keiner Weise nachsteht.“
Louis Schnabl
Fachjournalist, Institut für Kommunikation Bau und Technik
„Sanierung hat nur Zukunft, wo sie nachhaltig ist. Nachhaltigkeit setzt Innovation voraus. Hier sind die Hausaufgaben weitgehend gemacht. Das allein nützt aber nichts, wenn sie nicht als Investitionsimpuls beim Bauherrn ankommen. Der Bau hat nach wie vor ein Imageproblem. Das müssen wir heute anpacken, damit es morgen und übermorgen stimmt.“ „Solange die Qualität des Bauens im Bestand kein Imagefaktor ist, mit dem der private oder auch der kommunale Bauherr in der Wahrnehmung seiner Umgebung punkten kann, solange werden Maßnahmen zur Belebung der Baukonjunktur nicht den durchschlagenden Erfolg haben. Sanieren im Bestand muss sexy sein. Beim Loft angefangen, der Penthauswohnung bis hin zur großen Designerwohnung. Eine Wohnung mit Komfort³ in Verbindung mit einer energieoptimierten Ausstattung – wenn ich das in geeigneter Weise kommuniziere, habe ich einen höheren Imagefaktor als mit dem neuen Auto.“
Prof. Dr. Josef Schwarz
Prof. für Technische Gebäudeausrüstung, Bauphysik und Baukonstruktion, FH Mainz
„Die Altbaurevitalisierungsdiskussion bietet neue Chancen für Architekten. Die Planung für Sanierungen im Bestand ist natürlich aufwendiger als im Neubau. Und sie erfordert mehr Kreativität bei der Umsetzung. Aber wer, wenn nicht der Architekt, kann diese Aufgabe lösen? Wir müssen dazu in der Lehre allerdings auch neue Denkstrukturen vermitteln.“ „Wir Architekten wollen und müssen weg von dem Image, Künstler zu sein, die von den Niederungen des Baus wenig Ahnung haben, und die entsprechenden Berührungsängste beim Handwerk abbauen. Darin sehe ich eine wesentliche Aufgabe als Hochschullehrer. Hier sind beide Seiten zu mehr Offenheit, zu einer gleichberechtigten Partnerschaft zwischen Handwerker und Akademiker und zur Zusammenarbeit auf Augenhöhe aufgefordert. Wir suchen ja händeringend nach dem hochqualifizierten Handwerker, mit dem wir gemeinsam beim Bauherrn über die besten Produkte diskutieren können.“
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Phys. Klaus Sedlbauer
Lehrstuhl für Bauphysik an der Universität Stuttgart, Leiter Fraunhofer-Institut für Bauphysik
„Neues Bauen – auch im Bestand – verlangt neues Denken, und neues Denken verlangt eine neue Generation von Visionären, die technologisch wie kommunikativ alle Register ziehen. Wir müssen über die bauphysikalische Optimierung der Gebäudehülle hinaus zum Beispiel auch die elektronisch gestützte Optimierung des Nutzerverhaltens umsetzen – Stichwort intelligentes Gebäudemanagement. Darüber hinaus haben wir aber auch einen Fokus auf multifunktionale Materialien und Oberflächen. Ich sehe hier ein enormes Innovationspotential, um unsere Arbeitsumgebungen den spezifischen Bedürfnissen anpassen zu können. Das läuft in letzter Konsequenz auf eine erhebliche Wertsteigerung von Gebäuden hinaus.“ Erneuerung im Bestand ist das Gebot der Stunde, aber nicht nach der Devise „weiter so“ „Die Ansprüche an Bezahlbarkeit der Sanierungsinvestition, Wirtschaftlichkeit im Betrieb, Sicherheit, Flexibilität und Nutzungskomfort sind hoch und steigen weiter. Zur Erfüllung dieser Ansprüche sind Innovationen in bisher so nicht gedachten Dimensionen zwingende Voraussetzung. Das Ziel: rechenbar mehr Nutzen – vom Planungs-, Bau- und Logistikablauf bis zu den späteren Betriebs-, Instandhaltungs- und Nutzungsprozessen. Und da geht es um mehr als nur die Reaktion auf Klimaveränderungen, die nach visionären Energiesparkonzepten verlangen. Intelligente Gebäude der neuen Generation müssen die Gesundheit, die Behaglichkeit und die Leistungsfähigkeit der Nutzer optimieren. Die Sicherheit im Gebäude muss Top-Thema werden. Um diese Anforderungen zu realisieren, brauchen wir Spezialisten im Handwerk, die die Herausforderung neuer Bauabläufe, innovativer Materialien/Systeme und Konzepte annehmen. Ebenso Baustoffanbieter, die diese Zukunftsmärkte machen und branchenübergreifend bedienen können. Aber nicht zuletzt eine neue Generation von Nutzern, die Lust und Mut haben, in Innovation zu investieren und die Lernbereitschaft, Innovation zu nutzen.“